Was braucht man dafür?
Paula-Irene Villa (DGS)
Insofern sich die Soziologie mit der Analyse der zeitgenössischen sozialen Welt(en) befasst, wird man im Studium zunächst ‚befremdet’ sein. Das heißt, viele Selbstverständlichkeiten und bislang unbemerkte Normalitäten werden im Studium fragwürdig; das Alltägliche wird beobachtungs-, beschreibungs- und erklärungsbedürftig. So wird man im Laufe des Soziologie-Studiums nicht nur mit Fragen konfrontiert, wie z.B.: Was ist eigentlich genau eine soziale Handlung? Was ist eine Gesellschaft und welche verschiedenen Typen gibt es? Was ist eine Familie? Was ist ein relevanter Zusammenhang zwischen statistischen Merkmalen? Was ist Männlichkeit? Wie lassen sich Bedeutungen beobachten? Über diese Fragen hinaus wird man im Laufe des Studiums auch merken, dass es auf die Fragen, die die Soziologie stellt bzw. untersucht, eben keine eindeutige, gar abschließende Antwort gibt. Das heißt zunächst, dass viele Begriffe und Phänomene, von denen man im Alltag selbstverständlich annimmt, ihre Bedeutungen zu kennen, fraglich werden. Dafür sollte man zunächst vor allem intellektuelle Neugier und Offenheit mitbringen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das schließt ausdrücklich auch ein, sich selbst – das eigene Tun, die eigenen Einstellungen und Haltungen – in Frage zu stellen. (Selbst-)Kritische Reflexivität nennt man diese Befremdungen soziologisch, und dies zu wollen, ist sicherlich eine gute Voraussetzung für das Studium der Soziologie.
Die Soziologie ist hinsichtlich ihrer Methoden, Theorien und empirischen Gegenstände – also in allem – eine besonders vielfältige Wissenschaft. Wichtig im Soziologie-Studium ist darum, die Lust und Bereitschaft, mit Komplexität umzugehen. Man wird lernen, sich gründlich und allgemein nachvollziehbar mit den theoretischen und methodischen Aspekten der Untersuchung komplexer sozialer Wirklichkeiten auseinander zu setzen. Und so wird im Laufe des Studiums aus der ‚allgemeinen’ Neugier eine zunehmend kompetente und methodisch kontrollierte Befremdung. Das erfordert durchaus auch eine gewisse intellektuelle Belastbarkeit, denn bisweilen stellt sich im Studium Verwirrung ob der Vielfalt an Theorien, Fragen, Methoden und Themen ein. Wer sich aber darauf einlässt, merkt bald, dass es nicht nur Spaß (und klug) macht, mit dieser Vielfalt umzugehen. Sie macht zudem auch kompetent für eine Fülle an Tätigkeiten. Die meisten Absolventen und Absolventinnen der Soziologie können ihre Komplexitäts-Kompetenzen sinnvoll in Berufen und Aktivitäten einsetzen (und damit meistens gutes Geld verdienen). Zwar sollten sich Studierende der Soziologie nicht vornehmen, die Gesellschaft zu verbessern – aber als Soziologe und Soziologin kann man doch beratend, evaluierend und aufklärend mit spezifischem Fachwissen die soziale Wirklichkeit mit-gestalten. Insofern kann ein Quäntchen Idealismus für das Studium auf keinen Fall schaden.
Apropos Idealismus und Belastbarkeit: Während des Studiums entwickeln Soziologen und Soziologinnen spezifische Party-Skills und einen ziemlich eigenen Sinn für Humor: „Keep Calm and Study on“.